Künstliche Intelligenz-assistierte Detektion tieferliegender Hirnfunktionsstörungen im Elektrozephalogramm
Die Elektroenzephalografie (EEG) ist ein wichtiger Eckpfeiler in der Diagnostik und Therapiesteuerung bei Menschen mit ersten epileptischen Anfällen und bekannten Epilepsien. Daneben kommt dem EEG bei akuten und chronischen Erkrankungen wie Encephalopathien eine wichtige Bedeutung zu. Perspektivisch wird dieses auch für die frühzeitige Erkennung neurodegenerativer Störungen inkl. Demenzen gelten.
Der bisherige Standard der EEG-Befundung, das visuelle „EEG-Lesen“, wird zunehmend um automatische, computerbasierte, neuerdings auch KI-unterstütze Methoden zur Detektion pathologischer hirnelektrischer Potenziale ergänzt. Vorteile sind eine zeitsparende und objektive EEG-Befundung (Reduktion der Inter-Rater-Varianz) sowie die Möglichkeit der Quantifizierung von (Verlaufs-) Befunden.
Eine bislang noch nicht hinreichend adressierte Chance der KI liegt darin, der visuellen EEG-Analyse entgehende Funktionsstörungen tiefer Hirnstrukturen aufzuzeigen. Hierzu gehören z.B. Verlangsamungen, Rhythmisierungen oder epilepsietypischer Muster in den mesialen Schläfen- und Stirnlappen des Gehirns. Hier entstehende Potentialschwankungen können insbesondere deshalb visuell nicht erfasst werden, weil sie durch oberflächennahe EEG-Aktivität überdeckt sind.
Der jetzt im Projekt KITE geplante KI-Algorithmus wird auf analytische Methoden zurückgreifen, die bereits existieren und von den Projektpartnern der BESA GmbH, der SNAP GmbH und kooperierenden wissenschaftlichen Instituten mitentwickelt wurden. Die Besonderheit des Projektes ist, dass das über implantierte Tiefenelektroden simultan zum Oberflächen-EEG abgeleitete EEG aus den tiefen Hirnstrukturen als Ground-Truth dient.
Umfassende Datensätze simultanen Oberflächen- und tiefen-EEGs sind selten, sie können nur an epilepsiechirurgischen Zentren erhoben werden. Selbst auf internationaler Ebene sind Datensätze wie der am KKH vorhandene rar. Die Aufgabe der Ruhr-Epileptologie des UK Knappschaftskrankenhaus Bochum (KKH) am KITE-Gesamtvorhaben ist, die für das Trainieren des KI-Algorithmus erforderlichen EEG-, klinischen und bildgebenden Daten zur Verfügung zu stellen und diese vorzubereiten. Das umfasst die klinische Katalogisierung und systematische EEG-Epochenauswahl, die Artefaktbereinigung sowie das Klassifizieren und Annotieren von EEG-Mustern. Parallel zur Entwicklung des KI-Algorithmus durch die BESA GmbH und die SNAP GmbH, wird das KKH kontinuierliche Qualitätskontrollen (Feedbackschleifen anhand von Hold-Back-Datensätzen) durchführen. Ebenfalls parallel zur Algorithmusentwicklung wird das KKH Validierungsstudien vorbereiten und durchführen und aus klinischer Sicht die Entwicklung des User Interfaces unterstützen, dass zukünftigen Nutzern die Anwendung des Softwaredemonstrators auf EEG-Daten ermöglichen soll. Abschließend wird die Ruhr-Epileptologie die Reliabilität und Validität des Algorithmus zur Detektion tiefer Funktionsstörungen im Oberflächen-EEG durch retro- und prospektive Anwenderstudien mit Medizinern überprüfen.
Die Innovation des Vorhabens besteht aus ärztlicher Sicht darin, dass durch den KI-Algorithmus EEG-Informationen aus tiefliegenden Hirnstrukturen automatisiert und objektiv erkennbar werden, die maßgeblichen Einfluss auf die Diagnose und Therapie von Patienten mit Epilepsien und anderen Erkrankungen haben können.
Für die Ruhr-Epileptologie liegt das Verwertungsziel darin, als klinisches Referenzzentrum Vorreiter der KI-Anwendung bei eigenen und konsiliarisch betreuten Patienten zu sein, bevor dieses Instrument dann auch anderen Ärztinnen und Ärzten in Praxen und Kliniken zur Verfügung gestellt werden kann.
Förderer: BMBF
Laufzeit: 01.07.24-30.06.27
Konsortialführung/ Projektleitung: Prof. Dr. Jörg Wellmer, Ruhr-Epileptologie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum GmbH